plastikmeer_gentechfrei.jpgUnter welchen Bedingungen der Großteil an Gemüse und Obst in unseren Supermärkten produziert wird

Bei einer Veranstaltung der Grünen Bildungswerkstatt, die am Montag, dem 10. Dezember, in der Neudörfler Bors-Villa stattfand, wurden den Besucherinnen und Besuchern die Schattenseiten von vermeintlich gesundem Obst und Gemüse nähergebracht. Am Podium saßen Irmi Salzer (Österreichische Bergbauern- und –bäuerinnenvereinigung), Eszter Toth (Inter-Regionaler Gewerkschaftsrat Burgenland – West-Ungarn), Gerhard Riess (Gewerkschaft Metall Textil Nahrung) und Anton Hedenig (Alternative und Grüne GewerkschafterInnen).

Irmi Salzer berichtete von einem Besuch in der südspanischen Provinz Almería. Eine Fläche von 350 Quadratkilometern (zum Vergleich: ganz Wien hat 415 Quadratkilometer) ist mit Plastikfolie bedeckt – hier bauen 16.000 landwirtschaftliche Betriebe, zumeist kleinere Familienbetriebe, Obst und Gemüse an. Viele der hunderttausend hier arbeitenden MigrantInnen – hauptsächlich aus Afrika, Osteuropa und Südamerika – haben keine feste Bleibe, sondern wohnen ohne Fließwasser und Strom unter den Plastikplanen oder in Baracken. Der Großteil arbeitet tageweise, ohne Verträge und arbeitsrechtliche Absicherung. Bei Menschen mit Verträgen werden die zustehenden Mindestlöhne meistens nicht eingehalten. Die ErntearbeiterInnen müssen tagtäglich ohne Schutzmasken mit Pestiziden arbeiten, die eigentlich in der EU verboten sind – für diese spanische Region gibt es nämlich eine Ausnahmeregelung. Salzer fand nur ein Wort: „unvorstellbar“.

Eszter Toth (Inter-Regionaler Gewerkschaftsrat) schilderte die Situation im Nordburgenland, wo derzeit neuntausend ErntehelferInnen aus Ungarn im Gemüsebau beschäftigt sind – zumindest ist das die Zahl derer, die von ihren ArbeitgeberInnen auch ordnungsgemäß angemeldet wurden. Bei ihrer Arbeit im Inter-Regionalen Gewerkschaftsrat, einem EU-geförderten Projekt im Rahmen des Interreg-Programmes, ist Toth immer wieder mit Verstößen gegen das Arbeitsrecht konfrontiert: zwei oder drei Euro Stundenlohn bei einem kollektivvertraglichen Mindestlohn von sechs Euro; kein Urlaub oder Krankenstand; sechzig Stunden Arbeit bei einer Anmeldung für zwanzig Stunden oder gar keine Sozialversicherung – das sind die Bedingungen, unter denen die große Mehrheit der ErntehelferInnen arbeiten muss. Noch dazu werden viele ArbeiterInnen stark unter Druck gesetzt, ihre Rechte nicht einzufordern: „Bei einer zweisprachigen Beratungsveranstaltung in einem burgenländischen Gasthaus gab es plötzlich einen Traktoraufmarsch vor dem Gebäude“, berichtet Toth – die Arbeitgeber versuchten herauszufinden, wer von ihren MitarbeiterInnen zu der Gewerkschaftsveranstaltung geht. Erstatteten ArbeiterInnen Anzeigen, so wurden sie teilweise zuhause in Ungarn „besucht“ und erneut unter Druck gesetzt.

Gerhard Riess (Gewerkschaft Metall Textil Nahrung) sieht die Aufgabe der Gewerkschaften darin, den MitarbeiterInnen dabei zu helfen, sich gegen Arbeitsrechtsverstöße zu wehren: „Wer nicht selbst Unterdrückung und Abhängigkeit erlebt hat, kann nicht verstehen, warum man sich nicht wehrt. Aber wer sich nicht wehrt, hat schon verloren“. Das Arbeitsinspektorat und die Land- und Forstinspektion seien so stark unterbesetzt, dass effektive Kontrollen auf den Feldern zeitlich kaum möglich seien. Riess sieht aber dennoch einen Wertewandel bei den KonsumentInnen – es sei ihnen nicht mehr egal, wo die Nahrungsmittel herkommen. Zugleich sei es aber nicht immer leicht, sich über die Herkunft der Lebensmittel zu informieren: „95 bis 99 Prozent der Kürbiskerne auf den Laberln kommen mittlerweile aus China“.

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Dagmar Tutschek (Obfrau Grüne Bildungswerkstatt Burgenland), Gerhard Riess (Gewerkschaft Metall Textil Nahrung), Eszter Toth (Inter-Regionaler Gewerkschaftsrat), Irmi Salzer (Via Campesina Österreich), und Anton Hedenig (Alternative und Grüne GewerkschafterInnen).

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